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Das

katholische deutsche Kirchenlied
in seinen Singweisen

von den frühesten Zeiten bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts.

Begonnen von

Karl Severin Meister.

Zweiter Band.

Auf Grund älterer Handschriften und gedruckter Quellen bearbeitet

von

Wilhelm Bäumker.

Freiburg im Breisgau.
Herder'sche Verlagshandlung.

1883.

Zweigniederlassungen in Straßburg, München und St. Louis, Mo.

Mus. 220.1 (2),

HARVARD COLLEGE

MAY 28 1887

LIBRARY.

"Wacker Gund.

Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen wird vorbehalten.

Vorrede.

Das Meister'sche Werk: „Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen“ ist nicht Fragment geblieben. Endlich nach Verlauf von 21 Jahren präsentirt sich den Besizern des ersten Bandes auch der zweite. Leider war es dem Verfasser Herrn K. S. Meister nicht vergönnt, seine so verdienstvolle und von echt deutschem Fleiße zeugende Arbeit zu vollenden. Er starb am 30. September 1881 als Musiklehrer am Seminar zu Montabaur.

Auf den Wunsch des Herder'schen Verlags hin übernahm ich die Vollendung des Werkes. Da die Verhandlungen über den Erwerb des Meister'schen Nachlasses sich zerschlugen, so war ich genöthigt, den zweiten Band ganz selbständig zu bearbeiten. Dank der Zuvorkommenheit, die mir in allen Theilen Deutschlands entgegengebracht wurde, stand mir in kurzer Zeit ein bedeutend größeres Quellenmaterial zu Gebote, als Meister zum ersten Bande hatte benußen können. Ich nenne hier nur das Obsequiale ecclesiae Ratisbonensis 1570, welches Meister nur aus den Cantica spiritualia kannte; das Gesangbuch von Hecyrus, Prag 1581; die Sammlungen des Haym von Themar 1581 ff.; die in Cöln bei Brachel erschienenen Jesuiten-Gesangbücher vom Jahre 1619 an; das Neysser Gesangbuch 1625 und 1663; das Prager Gesangbuch 1655; das Molsheimer 1659; die geistliche Nachtigall, Erfurt 1666; den Nordstern 1671 u. s. w. (vgl. die Bibliographie und näherc Beschreibung der Gesangbücher). Außerdem war die hymnologische Literatur in den lezten Decennien durch manche bedeutende Leistungen vermehrt worden. Auf die größten Werke will ich schon hier aufmerksam machen:

1) Philipp Wackernagel, „Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts". 5 Bände. Leipzig 1864-1877, sowie auch dessen „Bibliographie zur Geschichte des deutschen Kirchenliedes". Frankfurt 1855. Wackernagel hat sich auch um das katholische Kirchenlied sehr verdient gemacht, denn der erste

Band seiner großen Sammlung enthält die lateinischen Hymnen, der zweite die vorreformatorischen geistlichen Lieder und der fünfte (Nr. 1130-1587) die Lieder der römisch-katholischen Kirche.

2) E. E. Koch, „Geschichte des Kirchenliedes und Kirchengesanges der christlichen, insbesondere der deutschen evangelischen Kirche“. 4. Aufl. Stuttgart 1866-1877. 8 Bände. Auch das katholische Kirchenlied wird berücksichtigt.

3) A. F. W. Fischer, „Kirchenliederlexikon. Hymnologisch-literarische Nachweisungen über circa 4500 der wichtigsten und verbreitetsten Kirchenlieder". Gotha 1878. Das Werk faßt die Resultate der hymnologischen Forschungen vorzüglich über das protestantische Kirchenlied kurz zusammen.

Die einzig in ihrer Art dastehende Sammlung von F. M. Böhme, Altdeutsches Liederbuch, Volkslieder der Deutschen nach Wort und Weise aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert". Leipzig 1877, erleichterte mir die Vergleichung der Melodien unserer Kirchenlieder mit den alten weltlichen und geistlichen Volksweisen ganz außerordentlich.

Die Lieder des vorliegenden Bandes wurden, wie dies auch im ersten Bande geschehen war, ihrem textlichen Inhalte nach eingetheilt, und die Rubricirung der Kehrein'schen Sammlung, zu der ursprünglich das Meister'sche Werk das Melodienbuch bilden sollte, im ganzen beibehalten. Die Texte wären zu bunt durcheinander gerathen, wenn ich eine Eintheilung nur nach den Melodien (Einzel- und Parallelmelodien) hätte vornehmen wollen. Da ich indeß den diesbezüglichen Anforderungen durch jedesmaliges Hinweisen auf verwandte Melodien gerecht geworden zu sein glaube, konnte ich, auch schon der Conformität wegen, die im ersten Bande getroffene Einrichtung beibehalten.

Von den Texten ist bei jedem Liede die erste Strophe in der Fassung abgedruckt worden, welche ich im Original vorgefunden habe. Die übrigen Strophen mag derjenige, der sich dafür interessirt, in den Sammlungen von Kehrein und Wackernagel, welche über dem Liede mit den Buchstaben K und W angegeben sind, nachschlagen. Auch die TextUnterlage ist so, wie sie in den Gesangbüchern steht. War sie hier unklar und verworren, so wurde nach Analogie anderer Lieder in dem selben Buche verfahren. Einzelne den Text betreffende Erläuterungen mag der Leser als eine Zugabe betrachten. Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt in den Melodien.

Jede Melodie wurde so wiedergegeben, wie sie sich in der von mir benußten, an erster Stelle angeführten Quelle vorfand. Natürlich

mußte in Bezug auf Notenform, Schlüssel u. s. w. die Gleichförmigkeit mit dem ersten Bande aufrecht erhalten werden. Wenn der Leser die runden Noten fich eckig denkt, so hat er die Notation der alten Gesangbücher. Die einfachen Ligaturen (Bindungen)

und die Pausezeichen: ganze, halbe, und viertel Pause habe ich aus den Originalen herübergenommen.

Von den Melodievarianten wurden die bedeutenderen aufgenommen. Taktstriche sind nur da angebracht worden, wo sie auch in den Originalen vorkommen. Die älteren Gesangbücher haben überhaupt gar keine Taktstriche, sondern nur Striche und Balken zur Abgrenzung der Zeilen. Die chromatischen Zeichen und þ, welche in der älteren Fassung des Liedes nicht vorkommen, wohl aber in einer späteren, sind über die Linien gesezt worden. Sie geben uns ein interessantes Bild davon, wie man die alten Melodien hin und her zerrte, um sie in Dur oder Moll unterzubringen. Wenn bei Vergleichung der Melodien sich herausstellte, daß sie zu mehreren Texten Verwendung gefunden hatten, so wurde in der Regel der älteste Text abgedruckt, auf die übrigen dagegen nur hingewiesen. Bisweilen wurde auch unter ausdrücklicher Angabe ein späterer Text benußt.

Um diesen Band nicht zu einem Werke von sehr großem Umfange zu gestalten, mußte von dem Meister'schen Plane, eine Sammlung lateinischer Lieder sowie mehrstimmiger Bearbeitungen deutscher Kirchenlieder in einem Anhange beizufügen, Abstand genommen werden. Von den lateinischen Liedern konnten nur solche Aufnahme finden, welche mit deutschen in irgend welchem Zusammenhange stehen. Die wenigen mehrstimmigen Lieder (S. 375 ff.) mögen zur Ergänzung des Anhanges II im I. Bande dienen. Das Verhältniß des deutschen katholischen Kirchenliedes zur Kunst des Tonsages läßt sich auf wenigen Bogen nicht klar stellen. Diese Arbeit erfordert ein Werk, welches mindestens den Umfang des vorliegenden haben müßte. Einem praktischen Bedürfnisse genügen die vorhandenen Sammlungen von F. Commer, Musica sacra (jetzt im Verlag von Manz in Regensburg); eine kleinere Auswahl (25 Lieder) von R. Schlecht. Nördlingen 1850, u. a. m.

Schließlich verfehle ich nicht, allen denjenigen, welche mich durch Zusendung von Gesangbüchern, Handschriften und Notizen bei meiner schwierigen Arbeit unterstügt haben, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen, namentlich folgenden Herren:

Aanderheyden, Dr., Archivar in Büdingen.

Bäumker, Dr. Clemens, o. Professor der Philosophie in
Breslau.

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