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Que Dieu nous soit en aide!

Est-ce que la science arrangera vos os
Tordus et disloqués par le poing des bourreaux?
Vous dérobera-t-elle au bûcher qui s'allume?
Beau dédommagement qu'une gloire posthume!
A quoi vous servira d'avoir enfin raison,

Quand on vous aura fait brûler comme un tison? etc.

So ist denn in diesen Charakter mit Glück einige molièresche Komik durch den Gegensatz des hochfliegenden Idealismus Galilei's mit der ganz plebejischen, aber durchaus nicht unlogischen und unverständigen Anschauungsweise der Frau Gemahlin hineingebracht. Es fragt sich nur, ob diese Komik hier so wohlthätig wirkt, wie bei Molière, oder wie bei einzelnen Figuren von Ponsard's Lustspielen selbst; ob nicht das Unbehagen des Zuschauers, den grossen Mann gerade an diesen erbärmlichen Nadelstichen leiden und schliesslich doch durch dieselben wesentlich bestimmt werden zu sehen, grösser ist, als die Freude an der naturwüchsigen Komik der Alten.

Von den übrigen Personen wären etwa nur der Professeur Pompée und der Commissaire du Saint-Office hervorzuheben. Die absprechende Art, in welcher der Erstere den neuen Lehren des Galilei entgegentritt, die trefflichen, aus der mittelalterlichen Scholastik und Physik geschöpften Argumente, mit welchen derselbe dessen Entdeckungen der vier Satelliten des Jupiter zu widerlegen unternimmt, zeichnen ganz vorzüglich den am veralteten Herkommen um jeden Preis festhaltenden Pedanten, der eher das Zeugniss von Auge und Ohr verläugnen würde, als die Lehre vom Macrocosmus und Microcosmus aufgeben, und einzelne Stellen in dem Gespräche mit Vivian sind wahrhaft köstlich und erinnern durchaus an die Marphurius und Pancrace in dem molièreschen Mariage forcé. Man höre z. B. Folgendes: Albert: Sur certain point, docteur, nous sommes en dispute, Et voudrions savoir ce que vous en pensez.

Pompée: I sied de demander conseil aux gens sensés
Çà, de quoi s'agit-il?

Vivian: De quatre satellites

Autour de Jupiter décrivant leurs orbites.

Pompée: Ils n'existent pas.

Vivian: Mais ...

Pompée: Ne sauraient exister.

Vivian: On peut les voir pourtant et l'on peut les compter.

Pompée: On ne peut les compter, puisqu'ils ne sauraient être.
Albert: Tu l'entends, Vivian?

Vivian: Et pourquoi cela, maitre?

Pompée: Parce que, soutenir que Dieu peut avoir fait

Quatre globes en sus des sept globes qu'on sait

Est un propos méchant, un thème chimérique,
Antireligieux, antiphilosophique.

Und ebenso köstlich ist auch die weitere Argumentation von den sieben Fenstern, welche die Menschen in ihrem Kopfe haben, nämlich dem zweifachen Gehör, dem Munde, den beiden Augen und den beiden Nasenlöchern, welche zusammen den Microcosmus bilden, woraus denn folge, dass es auch im Macrocosmus nur sieben Planeten geben könne, nämlich zwei Lichtbringer, Sonne und Mond, zwei feindliche Gestirne, Mars und Saturn, zwei wohlthätige, Jupiter und Venus und ein neutrales, Mercur, und da es ferner nur sieben Metalle, sieben Wunder, sieben Weise in der profanen, sieben Lichter (der siebenarmige Leuchter des alten Bundes), sieben Busspsalmen und sieben Erbsünden in der heiligen Welt gebe, so folge auch daraus wieder unwiderleglich, dass es nur sieben Planeten geben könne. - Bei so trefflichen Argumenten doch mit ansehen zu müssen, wie der Gegner die Vivats des Volks empfängt, während man selbst leer ausgeht, ist freilich schrecklich. Doch die Gelegenheit, Revanche zu nehmen, lässt nicht allzu lange auf sich warten, denn das Volk ist eben eine unverständige Menge, die den eigensten Werth des grossen Mannes zu erkennen unfähig ist und von seinen grossen Entdeckungen vor allen Dingen Nutzen für ihre eigene kleine Existenz erwartet. So drängen sich denn auch hier ein Bauer und ein junges Mädchen aus dem Volk an Galilei heran und wollen der Eine von ihm erfahren, ob er seinen Prozess gegen seinen Nachbar gewinnen werde, die Andere, ob ihr bald ein Ehemann beschieden sein wird und da Galilei von der Zukunft Nichts zu wissen, nicht im Besitze von Zauberkünsten zu sein erklärt, wenden sie sich natürlich achselzuckend von ihm ab. Da tritt nun der Professor Pompée vor, fordert sie auf, ihm zu folgen und wirft ihnen eine solche

Masse astrologischer Namen an den Kopf, dass der Bauer ganz verblüfft ausruft:

A la bonne heure donc! Il parle comme un livre und das Mädchen C'est le vrai savant, ça; c'est celui qu'il faut suivre und vergnügt dem Professor in sein Haus folgen. Damit ist die Rolle des grossen Pompejus zu Ende; er erscheint nur noch im dritten Akte wieder, um den Triumph des Widerrufes Galilei's zu geniessen, da ihm, zu seinem grössten Verdrusse, jener weit höhere Genuss, den verhassten Gegner brennen zu sehen, durch Galilei's unerwartete Nachgiebigkeit vereitelt ist. -- Der Inquisiteur commissaire du Saint-Office hat eigentlich nur eine Scene mit Galilei, die zweite des zweiten Aktes. Er erscheint als Abgeordneter der Inquisition, um Galilei zum Widerrufe aufzufordern, widrigenfalls ihm ein schweres Schicksal drohe. Auf Galilei's Frage, ob er denn die Wahrheit verläugnen dürfe, antwortet er, dass nur die Bibel Wahrheit enthalte und als Galilei darauf den noch jetzt im liberalen Katholicismus geltenden und wahrscheinlich auch mit Ponsard's eigener Meinung übereinstimmenden Unterschied zwischen den unveränderlichen Wahrheiten der Religion und den der Entwicklung anheimgegebenen Wahrheiten der Naturwissenschaft macht, will der Inquisitor auch in diesen den Fortschritt nicht gelten lassen, wenn durch denselben irgend eine religiöse Wahrheit gefährdet werden könnte; auch die Wissenschaft gehe nur sicher, wenn sie die Religion stets als Leitstern im Auge behalte, sobald sie diese erhabene Wächterin ausser Acht lasse, laufe sie Gefahr, wie ein Betrunkener zu taumeln und in den Abgrund zu stürzen. Sein System erschüttere durch die Umwälzung der Astronomie auch den Glauben, denn wenn die Bibel eine falsche Physik lehre, könnte auch die Wahrheit ihrer Dogmen zweifelhaft sein. Vergebens gebraucht nun Galilei das bekannte Argument von dem Josua, der sich den Volksanschauungen anbequemte, der Inquisitor fordert für die Bibel Glauben, keine Entschuldigung. Und wenn seine Theorie auch wahr wäre, setzt er hinzu, selbst die nur mögliche Beunruhigung irgend eines Gewissens durch dieselbe, sei schrecklicher, als alle Erfolge der Wissenschaft segensreich. Auf diese Beschuldigung, den Glauben zu erschüttern, antwortet Galilei mit einer Apostrophe, welche eigentlich

die Bravourstelle des Stückes bildet, und daher auch lange vor dem Erscheinen desselben in Druck von den Zeitungen mitgetheilt worden ist. Sie lautet:

Moi, détruire la foi, quand j'agrandis le culte!

Montrer Dieu dans son oeuvre, est-ce lui faire insulte?
Ah! la comprendre mieux, c'est la mieux adorer,
Et c'est l'honorer mal que la défigurer.

Les cieux, selon la Bible en qui nous devons croire,
Les cieux de leur auteur nous racontent la gloire;
Eh bien, j'ai mieux qu'un autre écouté leur récit,
Et je l'ai répété comme les cieux l'ont dit.
Par quel besoin? dit-on. Par un besoin auguste :
La soif du vrai, l'horreur du faux, l'amour du juste.
Dieu mit dans tous les coeurs ces instincts généreux,
Et les fit si puissants, que l'on mourrait pour eux;
C'est là qu'est la grandeur, et la force et la vie;
Qui les sert est pieux, qui les étouffe, impie.
D'ailleurs, est-ce qu'on peut jamais les étouffer,
Et, pour m'avoir vaincu, croirez-vous triompher?
Peut-on barrer le cours d'une vérité neuve?
Arrêter une goutte, est-ce arrêter un fleuve?
Croyez-moi, respectez ces aspirations,

Elles ont trop d'élans et trop d'expansions

Pour souffrir qu'un geòlier les tienne prisonnières;
Laissez-leur le champ libre, ou malheur aux barrières!
Ah! Rome, aux premiers jours de ton culte proscrit,
Tu disais n'opposer au glaive que l'esprit ;
N'as-tu donc triomphé que pour changer de rôle,
Et toi-même opposer le glaive à la parole?

Natürlich macht diese Tirade einen weit grösseren Eindruck auf die Hörer und Zuschauer, als auf den Inquisitor, der viel

mehr noch einmal zum Widerruf auffordert und nachdem er ihm das betreffende Formular hinterlassen und nicht allzu unverständlich auf den Feuertod hingewiesen hat, sich entfernt.

Von den sonst noch auftretenden Personen des Stückes ist nicht viel zu sagen. Der Präsident des Inquisition stribunals erscheint nur in seiner Function, um den Galilei zu inquiriren und das Widerrufsformular vorzulesen. Albert, der Anhänger des Alten, soll den Gegensatz zu Vivian, den Vertreter des neuen Princips bilden; der Mönch hält eine Capucinade gegen Galilei über den Text der Apostelgeschichte I,

11: „Ihr Männer von Galiläa, was stehet. ihr und sehet gen Himmel," französisch: Hommes Galiléens, pourquoi vous arrêtez-vous à regarder au ciel? oder bei Ponsard: Dans les cieux Pourquoi, Galiléens, promenez-vous vos yeux? (ein historisches Factum, worüber weiter unten das Nähere). In dieser Strafpredigt fehlen natürlich die gewöhnlichen argumenta ad hominem nicht das Uebertreten des Ar, die verhagelten Weinberge sind Beweise des Zornes des Himmels und wie sollte die Erde denn auch gehen, hat sie denn Füsse? Wenn wir uns drehten, wie sollte denn die Schwalbe ihr Nest wiederfinden und müssten dann nicht die Pfeile, die man abschiesst, statt vor uns, hinter uns zur Erde fallen? Argumente, die mit grossem Beifall von der Menge aufgenommen werden und einen Auflauf zwischen den Studenten, die den Galilei und der Menge, die den Mönch hoch leben lässt, veranlassen.

Was nun aber den Helden des Stückes, Galilei, betrifft, so haben wir ihn gelegentlich der Charakteristik der anderen Personen schon in seinen Hauptbeziehungen zu- denselben geschildert, zu seiner Gattin Livie und seiner Tochter Antonia, zum Grossherzog und zum Inquisitor. Damit ist auch sein Charakterbild in den Hauptzügen vollendet und wir haben nur Weniges zur Vervollständigung desselben hinzuzufügen. Der zweite Act, welcher in dem Arbeitskabinette Galilei's spielt, eröffnet mit einem grossen Monologe des Philosophen, welcher uns wie eine Nachahmung unseres Faust'schen Monologes anmuthet, allerdings aber dramatisch noch weit weniger gerechtfertigt ist als jener. Derselbe ist nämlich im Grunde nichts Anderes als eine Episode aus einem didaktischen Gedichte über die Bewegungen der Himmelskörper und als solche allerdings trefflich und ächt poetisch gedacht. Diese 106 Verse lesen sich sehr gut, auf der Bühne jedoch können sie keinen besonderen Effekt machen und während der Faust'sche Monolog uns sofort einen tiefen Einblick in die Seele des Haupthelden gewährt, trägt dieses Galilei'sche Selbstgespräch nicht das Geringste zur Charakteristik seines Urhebers bei. In dem Gespräche mit der Tochter und deren Geliebten Taddeo, welches nach der Entfernung des Inquisitors stattfindet, wird uns der Seelenkampf Galilei's geschildert, der ihn zwischen der Liebe zu seiner

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