Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Reiz des ganzen Werks mehr erhöhet, als stört *). Daß der Verfasser die Personen bei mehreren Ges legenheiten im Styl der alten Romane redend einführt, entzieht diesem Werke wenigstens nicht mehr vom streng historischen Charakter, als die Reden in den Geschichtsbüchern der alten Class siker der Natur und Würde der wahren Geschichte widerstreiten.

Der

k) Hier ist eine charakteristische Stelle aus der Jugende geschichte des tapferen Bayard. Ein berühmter Rits ter, Claude de Bauldré, hat seinen Schild aufgehängt, um Jeden zum Kampf herauszufordern, wer diesen Schild anrührt. Der sechzehnjährige Bayard rührt den Schild an. Darüber wird er zur Rede gestellt von seis nem Better.

Hé qui vous a donné cette hardieffe de toucher aux efcus de Meffire Claude de Vauldré? Il n'y a que trois jours qu'eftiez paige, et n'avez pas dixfept, ou dix-huit ans, on vous deuft encores donner des verges, qui montez en & grand orgueil. A quoy refpondit le bon Chevalier: Monfeigneur, je vous affeure ma foy que oncques orgueil ne me le fait faire, mais defir et vouloir de parvenir par faits vertueulx à l'honneur que vos predeceffeurs et les miens ont fait m'en ont donné la hardieffe. Si vous fupplie Monseig. neur tant que je puis, veu que je n'ay parent ny amy à qui je puiffe prefentement avoir recours finon à vous, que vostre bon plaifir foit m'aider de quelques deniers pour recouvrer ce qui m'eft neceffaire. Sur ma foy refpondit l'Abbé, vous irez chercher ailleurs qui vous preftera argent, les biens donnez par les fondateurs de cette Abbaye a efté pour y fervir Dieu, et non pas pour defpendre en jouftes, et tournois. Laquelle parole dicte par L'Abbé, le Seigneur de Bellabre repreint, et luy dit, Monfeigneur, n'euft efté les vertus et les proüeffes des vos predeceffeurs, vous ne feuffiez pas Abbé d'Esnay, car par leur moyen, et non par autre eftes parvenu.

Der rhetorische Werth der französischen Mes moires, deren seit dem sechzehnten Jahrhundert immer mehrere geschrieben wurden, kann hier nur im Allgemeinen gewürdigt werden. Da die Vers fasser gewöhnlich selbst in der großen Welt geleba hatten, so redeten sie auch in ihren Memoires die Sprache der großen Welt. Aber bis gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts hatte diese Spras che, so cultivirt sie auch übrigens schon war, noch viele Züge von eben der altritterlichen Naivetåt die das Leben des Bayard so anziehend macht. Eine besondere Mischung dieser Naivetät mit einer cynischen Freimüthigkeit, die in der historischen Lita teratur ihres gleichen nicht hat, zeichnet die verrus fenen Memoires des Pierre de Bourdeille, Abts und Herrn von Brantóme aus ). Sie sind auch in rhetorischer Hinsicht zu merkwürdig, um hier nicht genauer angezeigt zu werden.

4

Brans

tome hatte seine besten Jahre am Hofe zu Paris verlebt, der unter der Regierung Carls IX. und Heinrichs III. der schaam, und sictenloseste in Eus ropa war. Die ausschweifendste Lüsternheit kleidete sich dort zwar noch immer in die Formen der alts ritterlichen Galanterie; aber die frechen Sitten, denen diese Form nur eine Art von äusserem Ans stande des Betragens gab, gingen ungestört in die Sprache über. Herren und Damen erlaubten sich ohne Erröthen die obscönsten Ausdrücke, die unfaus bern Dinge mochten im Ernst, oder im Scherz genannt werden. Brantome schrieb also nur, wie man bei Hofe sprach. Aber er schrieb seine Mes moires,

1) Die sämmtlichen Memoires des Brantome mit allen Zubehören finden sich neu gedruckt in der Collection univerfelle &c. Tom. 63. 64, und 65.

Da

moires, als er schon ein alter Mann war. schwelgte der alte Wollüstling am liebsten in den unsittlichsten Erinnerungen. Sein Gefühl war ge gen das Obscóne völlig abgestumpft, und sein kaustis scher Wih verstärkte noch die schmußige Natürlich. keit seiner Darstellungen nach dem Leben. So ist es gekommen, daß in der Reihe der historischen Schriftsteller dieser Ungezogene steht, dessen Werke auch füglich neben die des Aretiner's gestellt werden können. Aber der Aretiner verwebte seinen Cynismus als wißiger Kopf mit geflissentlicher Uns fittlichkeit in seine Satyren und Possen; Brantome spricht, bald råsonnirend, bald Anekdoten erzähs lend, von den schmußigsten Dingen mit einer sol. chen Unbefangenheit und Anspruchlosigkeit, wie Je mand, der sich nur ganz natürlich ausdrückt, und gar nicht daran denkt, daß dagegen etwas zu erins nern seyn könne. Seine psychologischen Porträts der Damen, die er am Hofe und auf seinen Reisen kennen gelernt hatte (Les Dames illuftres und Les Dames galantes) sind mit derselben Naivetåt ges zeichnet, wie der ungenannte Verfasser der Biogras phie des Bayard im redlichsten Ernste diesen guten Ritter porträtirt. Da ist auch Brantome, wenn er nicht gerade auf eine årgerliche Anekdote stößt, die ihn zum Muthwillen reizt, so anständig, wie andere Verfasser der Memoires seiner Zeit. Nur in den Betrachtungen, die er als einen Ans hang zu seiner Charakteristik galanter Damen hin terlassen hat, übertrifft er an schaamlosen Beschrein bungen und Reflexionen fast den Aretiner selbst; und da sind ihm zugleich die burleskesten Ausdrücke die liebsten. Aus allen diesen Gründen verdient indessen Brantome als geistreicher Schriftsteller eine

[ocr errors]
[ocr errors]

beson

besondere Erwähnung in der Geschichte der französ fischen Beredsamkeit.

Gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts verlor sich der Ueberrest der altfranzösischen Naives tát auch aus der historischen Litteratur. In den Memoires des vortrefflichen Sülly, der doch im wirklichen Leben an den oft sehr naiven Ton seines großen Monarchen Heinrichs IV. gewöhnt war, ist der Styl der Erzählung und der Reflexionen schon ungefähr derselbe, den bald nachher die meisten Verfasser französischer Memoires annahmen, wenn fie nur interessant und lehrreich, nicht zugleich pikant und kaustisch schreiben wollten. wollten. Sully, für den der rhetorische Werth seiner Memoires nur Nebens sache war, neigt sich indessen als Schriftsteller auch noch zum alten Chronikenstyl. Daher, nicht aus einem Bestreben, sein Werk anziehender zu machen, ist es gekommen, daß er den König und andere Personen in seinen Memoires noch kleine Reden halten läßt. Nach dem Muster der griechischen und römischen Historiker sind diese Reden durchaus nicht gebildet TM).

Unter Richelieu wurde der Styl der französis schen Memoires schon ganz modern, so, daß et nur noch die lehte Cultur erwartete, die ihm in den ersten Decennten der Regierung Ludwigs XIV. zu Theil werden sollte.

3. Die

m) Wem daran gelegen ist, den großen Staatsminister Sully als Schriftsteller ganz kennen zu lernen, der wende sich ja nicht an die modernisirte und auch in ans derer Hinsicht umgearbeitete große Quartausgabe der Mémoires de Sully, London, 1745. Es giebt echte Ausgaben von 1663 bis 1778. Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek. V. B.

[ocr errors]

3. Die didaktische Prose der Franzosen fonnte aus leicht zu entdeckenden Gründen lange Zeit mit der historischen nicht Schritt halten. Noch unter den Regierungen Franz I. und seiner Nachs folger bis auf Heinrich IV. fehlte es der Nation zu sehr an der Art von intellectueller Bildung, die auf wissenschaftliche Verknüpfung der Begriffe ohne Pedantismus gerichtet ist. Das vorzügliche Talent des französischen Geistes zu psychologischen Refles xionen konnte sich nur durch einzelne Gedanken äußern; und diese Gedanken verloren sich entweder in zufälligen Unterhaltungen, oder sie gingen in die Memoires, Satyren, Episteln und dergleichen Schriften über. Wer aber gelehrt, oder ein Phis losoph seyn wollte, glaubte noch die lateinische Sprache zum Ausdrucke seiner Gedanken der frans zösischen vorziehen zu müssen. Die scholastische Unis versität zu Paris und die neuen philologischen Lehrs anstalten in Frankreich mochten übrigens einander noch so kräftig entgegenwirken; die didaktische Culs tur der französischen Sprache gewann dabei nur wenig.

Um so merkwürdiger sind in der französischen Litteratur des sechzehnten Jahrhunderts auch in rhes torischer Hinsicht, wie in philosophischer, die Schrift ten (Effais) des geistreichen Michel de Mons tagne, oder, nach der alten Orthographie, Mons taigne. Wenn man bedenkt, daß dieser eben so feine, als selbstständige Kopf vom Jahre 1533 bis 1592, also zu einer Zeit lebte, da er seine Art, in seiner Muttersprache zu philosophiren, von keis nem Vorgänger lernen konnte; so bewundert man ihn um so mehr. Aber von der Originalität des

« ZurückWeiter »