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daß die Menge der gedruckten Briefe von ihm einen starken Folioband anfüllt ). Die herrschende Idee bei ihm war, schön und prunklos, aber månnlich und ernsthaft, wie Cicero, zu schreiben. Man bes wunderte und ehrte seine Manter. Aber man fand sie zu trocken. Die alte Neigung der Franzosen zur anmuthigen Tåndelet regte sich wieder. Bals zac, der diese Tåndelei verschmähte, fand einen gefährlichen Nebenbuhler an Vincent de Voir türe, einem Lieblinge des Hofes. Voiture, von bürgerlicher Herkunft, aber reich, sorgfältig erzo gen, und von seinem ehrgeizigen Vater früh in die Nähe des Hofes geführt, wußte sich den Ton der großen Welt im Geiste seiner Zeit so glücklich ans zueignen, sich bei den Großen so einzuschmeicheln, und zugleich seine Talente mit einer solchen Feins heit geltend zu machen, daß er für einen der schöns ften Geister gehalten wurde, und bei Hofe erschien, als ob er von altem Adel wäre. In Diensten mehrerer Großen machte er Reisen nach Spanien und Italien. In Madrid soll er auch spanische Verse gemacht haben. In Rom wurde er mit der größten Auszeichnung behandelt. Er starb im Jahre 1648, dem funfzigsten seines Ulters. Vots türe's Briefe wurden noch bei dem Leben ihres Verfassers so berühmt, daß Balzac mit den seints gen kaum hervorzutreten wagte. Beide Akademiker begegneten indessen einander mit französischer Artigs feit. Auch war es gar nicht Voiture's Meinung, um der anmuthigen Tändelei willen sich etwas von der Würde eines Hofmannes zu vergeben. So erhielten seine Briefe einen doppelten Charakter. Wo er nur leicht und angenehm unterhalten will,

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t) Den ersten seiner, oben S.312. angeführten Qeuvres.

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da ist seine Manier natürlich, gefällig, und des Beifalls werth, den sie fand. Wo er aber, um den Hofmann im Geiste seiner Zeit zu machen, pretisse Complimente vortrågt, ist ihm keine Phrase zu studirt und zu angereimt. So wirft er zum Beispiel seinem Nebenbuhler Balzac in einem Briefe vor, daß dieser so lange gezögert habe, thm die frohe Nachricht mitzutheilen, wie hoch er Voiture schäße, und daß er geduldet, daß Veitüre so lange Zeit der glücklichste Mensch in der Welt. gewesen sen, ohne es zu wissen" "). Einem Herrn vom Hofe schreibt er, daß dieser Herr "in einem Jahrhuns dert, wo die Discretion, die Höflichkeit und die wahre Galanterie vom Hofe verbannt gewesen, er ihnen in seiner Person einen Zufluchtsort angewies sen, wo diese Eigenschaften von Jedermann bes wundert worden, von Niemand nachgeahmt wer den können" *). Noch steifere und fadere Com plimente macht er gewöhnlich den Damen in seinen Briefen. Aber gerade diesen pretidsen Ton, wo etwas Artiges gesagt werden soll; diese gewuns Denen und geschnörkelten Phrasen der Galanterie, bald zu künstlichen Perioden ausgesponnen, bald in den raffinirtesten Antithesen vorgetragen, wurden

feit

u) Vous n'avez pas en, ce me femble, affez foin de mon contentement, d'avoir tant tardé à me donner une fi bonne nouvelle, et fouffert fi longtems, que je fuffe le plus heureux homme du monde fans le favoir. Lettre à Balzac.

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x) En un fiecle, où la difcretion, la civilité et la vraie galanterie étoient bannies de cette cour, Vous les avez retirés en vous, comme dans un afyle où elles ont été admirées de tout le monde, fans pouvoir être imitées de perfonne, Lettre à Mr. de Bellegarde.

feit Voiture von allen französischen Briefftellern mehr, oder weniger nachgeahmt, bis der Ges schmack des achtzehnten Jahrhunderts den alten Cus rialien der Galanterie völlig ein Ende machte. Daß Voiture die altfranzösische Naivetät zu schåts zen wußte, beweisen einige Gedichte, in denen er die alte Sprache der Ritterzeit nachahmt. Seine übrigen Gedichte sind ganz artige Kleinigkeiten 2).

Der Conflict der Manieren Voiture's und Baljac's brachte dem französischen Briefstyle man chen Vortheil. Man suchte die Vorzüge beider nachzuahmen," ohne in ihre Fehler zu verfallen. Mit vieler Feinheit, Correctheit und unterhaltender Eleganz schrieb Pierre Costar seine Briefe. Auch er war von bürgerlicher Herkunft, und schwang sich, wie Voiture, aber im geistlichen Stande, durch wohl berechnete Anhänglichkeit an die Großen, und durch die Gewandtheit, mit der er seine Talente zu benußen wußte, wenigstens so hoch, daß er als Geistlicher auf einen großen Fuß leben konnte. Seine Gegner nannten ihn den galantesten Pedans ten. Balzac wurde sehr betroffen, als er sich an Costar wandte, um ihn zu einer entscheidenden Kritik der Briefe Voiture's aufzumuntern, und nun mit dem Publicum eine Vertheidigung Voiture's aus der Feder Costar's zu lesen bekam.

Die elegante Briefstellerei kam im Zeitalter Richelieu's so in die Mode unter den französischen schönen Geistern, daß fast Jeder, wer Verse mach te,

z) In den Oeuvre de Mr. de Voiture, Paris, 1650, in 4to, nehmen die Briefe den größten Theil des Bans des ein. Die Gedichte find nur eine Art von Anhang.

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te, bei Gelegenheit auch Briefe in Prose drucken ließ. Der französische Geist fühlte sich bei dieser angenehmen Autorschaft, durch die man seinen Vers stand und Wih in den gefälligsten Formen und in der Sprache des Hofes glänzen lassen konnte, gang in seinem Elemente. Und wenn gleich eine pretidse Monotonie und etikettenmäßige Galanterie mehr, oder weniger, allen diesen Briefstellern eigen ist, so wird doch die unbestochene Kritik ihnen immer das Verdienst einräumen müssen, daß sie, jene Fehler abgerechnet, die besten Briefe schrieben, die man bis dahin in der neueren Litteratur gelesen hatte ").

5. In der eigentlichen Beredsamkeit oder ratorischen Prose der Franzosen kämpfte während des sechzehnten Jahrhunderts das Talent mit einem Pedantismus, der durch das schnelle Aufblüs hen des Studiums der alten Litteratur in Franks reich veranlaßt wurde.

Die Einrichtung der französischen Parlamens te gab eine vortreffliche Gelegenheit zur Entwickes lung und Bildung der gerichtlichen Beredsamkeit. So wohl die Plaidoyers der Advocaten vor dies fen großen Gerichtshöfen, als die sogenannten Res monstranzen (Rémonftrances) oder Vorträge der Prá

a) Proben von der Manier dieser Brieffteller zu geben, wäre hier nicht weniger Verschwendung des Raums, als, fie alle zu registriren. Denn Jeder, wen diese Lecture nur irgend interessirt, hat, in Ermangelung andrer Brieffammlungen, sich nur an die bekannte und oft gedrucks te Sammlung von Richelet (Les plus belles lettres françoifes, tirées des meilleu auteurs, 2 Octavbånde) zu wenden, wo er auch Nachrichten zur Lebensgeschichte der Verfasser dieser Briefe findet.

Präsidenten und Beisißer an die Parlementsvers fammlung nahmen damals eine gelehrte Form an. Man glaubte, der natürlichen Beredsamkeit nicht besser zu Hülfe kommen zu können, als, wenn man zeigte, daß man Latein und Griechisch verstehe und in den Werken der Alten sehr belesen sey. Die parlementarischen Remonstranzen aus diesem Zeitalter, die man in die Litteratur aufgenommen hat ), sind nicht nur, die eine, wie die andere, überladen mit Beispielen aus der griechischen und römischen Geschichte; sie fangen gewöhnlich, damit. die Gelehrsamkeit sogleich hervortrete, mit solchen Erinnerungen an, und sehen, indem sie sich über den Gegenstand der Rede verbreiten, das Prunken mit der alten Litteratur beständig fort ). Die Redner:

› b) Dahin gehört vorzüglich die Sammlung: Harangues et actions publiques des plus rares efprits de notre temps, &c. Paris, 1609, in Octav. Die meisten dies, fer Reden sind sogenannte Remonstranzen, die bet der Eröffnung der Parlemente gehalten wurden. Die älteste ist vom Jahre 1569.

*) Der Parlementsrath Då Four, Herr von Pibral, fing seine Rede bet der Eröffnung des Parlements im! J. 1569 an, wie folgt:

Les Autheurs Grecs, qui ont fait mention des loix et couftumes anciennes des Perfes, lors que leur empire eftoit plus floriffant, fe font tous rencontrez de parler avec paroles d'honneur et de louange, d'une honnefte façon et couftume dont ils ufoient, qui eftoit celle, qu'auparavant que de facrifier, ils faifoyent une longue remonftrance repl evdeßsíaç, c'est à dire, de la Piété et Sainteté premier auffi que de s'affeoir aux banquets et feftins publics, l'un d'entre eux di fcouroit πζ. Ωφρο νόης de la Temperance και πολε μεῖν μηλοντες τξί ανδρείας: et audi faifons de. Bouterwek's Gesch. d. schön. Redek, V. B.

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