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,,Oh! du hast sehr gut übersetzt", rief Vathek;,,ich kenne den, den diese Worte bezeichnen. Man gebe diesem Greis ebenso viele Ehrenkleider und ebensoviel Tausend Zechinen, als er Worte gesprochen hat; er nahm mir einen Teil der Wolken, die mein Herz einhüllten." Nach diesen Worten lud ihn Vathek ein, mit ihm zu speisen, ja sogar einige Tage bei ihm im Palast zu verweilen. Am nächsten Tag ließ ihn der Kalif rufen und sagte zu ihm: „Lies mir noch einmal, was du mir gelesen hast: ich kann nicht oft genug die Worte hören, die mir das Glück zu verheißen scheinen, nach dem ich mich sehne." Alsbald setzte der Alte seine grüne Brille auf. Aber sie fiel ihm von der Nase herunter, als er bemerkte, daß sich die Worte seit dem andern Abend verändert hatten.,,Was hast du?" fragte Vathek,,,was bedeutet dein Erstaunen ?"

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Herrscher der Welt, die Zeichen auf diesen Säbeln sind nicht mehr dieselben.",,Was sagst du?" rief Vathek, „,aber einerlei : wenn du kannst, so erkläre mir ihre Bedeutung."

,,Hier ist sie, Herr", sagte der Greis.,,Unglück über den Verwegenen, der zu wissen trachtet, was ihm verborgen bleiben soll, und das wagen will, was über seine Macht geht."

„Unglück über dich selbst", schrie der Kalif ganz außer sich. ,,Geh mir aus den Augen! Man wird dir nur die Hälfte deines Bartes abbrennen, weil du gestern gut geraten hast: was meine Geschenke anbelangt, so nehme ich niemals zurück, was ich einmal gegeben habe." Der Greis war klug genug, einzusehen, daß er noch gut weggekommen war mit der Dummheit, die er damit begangen hatte, seinem Herrn eine unangenehme Wahrheit zu sagen: er ging und erschien nie wieder.

Vathek bereute aber bald seine Voreiligkeit. Da er nicht aufhörte, die Schriftzeichen zu studieren, merkte er wohl, daß sie jeden Tag sich veränderten, und niemand fand sich, sie zu entziffern. Da entzündete die Unruhe solchen Tuns sein Blut, verursachte ihm Schwindel und Ohnmachtsgefühle und machte ihn

so schwach, daß er sich kaum aufrecht halten konnte: in diesem Zustand ließ er sich immer auf den Turm tragen und hoffte aus den Sternen etwas Angenehmes zu lesen; aber er täuschte sich in dieser Hoffnung. Seine Augen waren trübe vom Kummer seines Denkens und dienten ihm schlecht; er sah nichts als eine schwarze und dicke Wolke, ein Zeichen, das ihm sehr verhängnisvoll vorkam.

Von solchen Leiden zerwühlt verlor der Kalif den Mut vollständig; er bekam das Fieber, verlor den Appetit, und statt der größte Esser der Welt zu bleiben, wurde er ihr größter Trinker. Ein übernatürlicher Durst verzehrte ihn, und sein Mund war offen wie eine Tonne und immer bereit, Tag und Nacht Ströme von Getränken aufzunehmen. Als dann dieser unglückliche Fürst kein Vergnügen mehr genießen konnte, ließ er die fünf Paläste der Sinne schließen, zeigte sich nicht mehr öffentlich, ließ keine Pracht mehr entfalten, sprach dem Volk kein Recht mehr und zog sich in das Innere des Serail zurück. Er war immer ein guter Gatte gewesen, und so waren seine Frauen untröstlich über seinen Zustand und wurden nicht müde, Gelöbnisse für seine Gesundheit zu machen und ihm zu trinken zu geben.

ABENTEUER DER COIFFEUSE FRÄULEIN GODICHE, WIE ES DER KUTSCHER GUILLAUME ERZÄHLT

Wie

ie ich eines Nachmittags mit meinem Wagen so auf einen Fahrgast warte, kommt da auf mich ein niedliches kleines Fräulein zu und fragt:,,Was nehmen Sie für eine Fahrt nach der Drehbrücke, mein Lieber?" „Na, Mamsell,“ sag ich, „das

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es wissen und billig muß es auch sein." -,,Also," sag' ich,,,es kostet vierundzwanzig Sous." Was? Vierundzwanzig Sous ? Wo es nur ein Schritt ist? Fünfzehn geb' ich dafür aus, und wenn Sie nicht wollen, dann nehm ich eine Schubkarre." -,,Steigen Sie ein, Mamsell. Und ein Trinkgeld." ,,Nicht einen Heller mehr aber machen Sie die Fenster zu, es geht ja ein Wind (nicht ein Lüftchen regte sich) und ruiniert mir die Frisur, und meine Tante glaubt, ich komme von weiß Gott wo her." Ich mach' also meine Fenster zu und los geht's.

...

Gerade den Theatinern gegenüber passiert's, daß eine Fensterscheibe in den Wagen fällt, und ich hör' rufen:,,Kutscher, Kutscher, bringen Sie doch Ihre Sache da in Ordnung!"

-

Während ich also das Fenster wieder in Ordnung bringe, geht da ein kleiner Herr vorbei, der in meinen Wagen schaut und gleich sagt:,,Ha, das ist ja Mamselle Godiche! wohin machen Sie denn so ganz alleine?" ,,Ich mache, wohin ich mache,“ sagt sie,,,und das geht Sie gar nichts an." — ,,Da haben Sie recht," sagt der Herr,,,aber das müssen Sie doch spüren, mein Fräulein, daß eine Demoiselle wie Sie, die in einem Fiaker fährt, nachmittags und ganz alleine, um diese Zeit nicht zu Damen fährt, um sie zu frisieren." -,,Da irren Sie sich, Herr Galonnet," sagt Godiche,,,und da sehen Sie eine Haube, die ich nur aufgesetzt

habe, um sie einer Dame zu bringen, die in die Oper will.“ Und die Kleine zieht wirklich unter ihrer Robe so ein Ding hervor, das darunter war, und der Herr sieht's, macht lächelnd seine Verbeugung und entfernt sich.

,,Herrgott," sagte Mamselle Godiche, wie er weg war,,,was sind die Männer neugierig! Warum schließt auch Ihr Wagen so schlecht? Es war der Sohn von einem Schneider aus unserm Viertel, der es natürlich überall erzählen wird. Die böseste Zunge im Quartier, er und seine Sonnen von Schwestern. Weil man sich ein bißchen properer anzieht als andere, glauben sie schon, man sei weiß Gott was. Ich habe schon wirklich Malheur, daß ich ihn getroffen habe. Da haben Sie Ihre fünfzehn Sous, ich mag nicht mehr in Ihren albernen Wagen. Mein Gott, was sagen! Wenn meine Tante davon erfährt, bin ich verloren! Da steht Ihr wie ein Holzklotz," sagt sie zu mir, der ich ihr ohne ein Wort zuhöre, ,,machen Sie doch weiter, wie ich Ihnen gesagt habe, ich muß doch schließlich meine Haube abgeben, die Dame wartet auf mich, so beeilen Sie sich doch!"

Also machten wir weiter. Wir kamen an die Drehbrücke, wo so wenig eine Dame war wie in meiner hohlen Hand. Mamselle Godiche schaut rechts, schaut links, schaut überall. Schließlich sagt sie zu mir:,,Mein lieber Freund," sagt sie,,,wollen Sie mich so lang in Ihrem Wagen lassen, bis einer meiner Cousins, der mich wohin führen soll, kommt? Ich geb' Ihnen schon was dafür." „Gern“, sag' ich, denn ich hatte was für sie übrig und dann wollte ich gern den Cousin sehen, von dem ich sicher war, daß er nicht viel mehr sei als ich.

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Nach einer starken Viertelstunde kommt ein großer junger Mensch daher, so von der PorteSaint-Honoré heruntergebummelt. Ich zeig' ihn der Mamsell.,,Ist das nicht Ihr Cousin ?" — „Das ist er wahrhaftig! Rufen Sie ihn doch, denn er weiß nicht, daß ich im Wagen bin." Ich lauf' also hinter dem Cousin her, der sich gegen die Chaillotgasse dünnemacht, und sag' ihm:,,Herr,“ sag

ich,,,da ist Ihre Cousine Mamselle Godiche im Wagen, die mit Ihnen ein Wort sprechen will." Sagt er mir Danke und läuft zum Wagen, steigt hinein, und da drin hör' ich also meine zwei lang plauschen und flüstern wie die Elstern. Schließlich sagen sie, ich soll sie in ein gutes Wirtshaus aus meiner Bekanntschaft fahren, und daß ich mit ihnen zufrieden sein würde, wenn ich sie da erwartete, um sie nach Paris zurückzufahren, wenn sie einen Salat gegessen hätten. Und dabei drückt mir der Herr, als Angabe gewissermaßen und daß es eine ganz richtige Sache sei, einen Runden in die Hand.

Ich schlage ihnen also die Witwe Trophée vor, aber das ist ihnen zu sehr an der Straße. Dann also die Glacière oder Mutter Liard, aber man entscheidet sich für die Glacière, und da setzt' ich sie bald darauf ab.

Da ich über die Cousinschaft so meine Zweifel hatte, machte ich der Wirtin ein Zeichen, auf das sich die versteht; sie führt sie also in ein kleines Kabinett, das auf den Garten hinaus geht, zu ebener Erde. Was mich betrifft, ich bringe also meinen Wagen ein, und da es da eine Menge Spitzbuben gibt, trägt die Wirtin meine Wagenkissen in das Zimmer, wo meine Herrschaft war, damit sie mir niemand stiehlt.

So was nach zwei Stunden kriegt Fräulein Godiche Lust nach frischer Luft, kommt in den Garten und ihr Cousin mit ihr, wo sie dem Tanzen zuschauen. Währenddem war ich mit zwei meiner Freunde aus meiner Bekanntschaft, der eine ein Soldat, und wir tranken ein Pint Wein aus und aßen den Rest von einem Hühnerfrikassee und einem Salat, den uns der Cousin schickte, auf welche Art wir es uns nicht schlecht schmecken ließen. Da wir nicht weit ab vom Tanzboden saßen, sah ich, daß man Mamsell Godiche zum Tanz aufforderte, und dann tanzte der Cousin mit ihr ein Menuett recht hübsch.

Während sie tanzten und auf nichts sonst acht hatten, kam der Herr Galonnet mit zwei anderen und zwei Demoisellen. Und

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