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Als Generalinspektor der Südarmee starb Laclos am 5. Oktober 1803. In seinem letzten Brief empfiehlt er dem ersten Konsul Weib und Kinder.

Ein kurzes und das beste Urteil über Laclos, und ein Urteil, dessen Zweck nicht irgend Eulogie war, steht in einem Polizeibericht der Sektion des Berges:,,Homme de génie, très froid et très fin."

AUS DEN LIAISONS DANGEREUSES

VON CHODERLOS DE LACLOS

DIE MARQUISE VON MERTEUIL AN DEN VICOMTE VON VALMONT, AUF SCHLOSS...

ehren Sie zurück, lieber Vicomte, kehren Sie zurück! Was

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tun Sie, was können Sie denn überhaupt noch bei einer alten Tante tun, deren Vermögen Ihnen schon vermacht ist? Reisen Sie augenblicklich ab; ich brauche Sie. Ich habe einen herrlichen Plan, mit dessen Ausführung ich Sie betrauen will. Diese wenigen Worte sollten Ihnen genügen; und in der Erkenntnis, daß meine Wahl Sie allzusehr ehrt, sollten Sie sich beeilen herzukommen, um auf den Knien meine Befehle entgegenzunehmen. Aber Sie mißbrauchen meine Güte, selbst noch, seit Sie keinen Gebrauch mehr davon machen; und bei der Alternative, Sie ewig zu hassen oder übermäßige Milde walten zu lassen, will Ihr Glück, daß meine Güte überwiegt. Also will ich so gut sein und Sie von meinen Plänen in Kenntnis setzen: aber schwören Sie mir, daß Sie als treuer Kavalier sich in kein Abenteuer einlassen werden, ehe Sie nicht dieses zu Ende geführt haben. Es ist wert eines Helden: Sie werden der Liebe und der Rache dienen, kurz, es soll ein gemeiner Streich mehr für Ihre Denkwürdigkeiten werden jawohl, für Ihre Denkwürdigkeiten, denn ich verlange, daß Sie eines Tages gedruckt werden, und übernehme es, sie zu schreiben. Aber lassen wir das, und kommen wir zur Sache.

Frau von Volanges will ihre Tochter verheiraten: es ist noch ein Geheimnis, das ich aber gestern von ihr selbst erfuhr. Und wen, glauben Sie, hat sie sich zum Schwiegersohn ausgesucht? Den Grafen Gercourt. Wer hätte mir gesagt, daß ich Gercourts Cousine werden würde! Ich bin in einer Wut darüber... Nun also! Ahnt Ihnen noch nichts ? Oh, wie schwer von Begriff! Haben Sie ihm die Geschichte mit der Intendantin denn ver

ziehen? Und ich, ich habe mich doch noch mehr über ihn zu beklagen, Sie Ungeheuer, denn er hat mich für diese Intendantin verlassen, die Sie dem Grafen geopfert hat. Aber ich werde schon wieder friedlich, und die Hoffnung auf Rache erheitert meine Seele.

Sie haben sich, gerade wie ich, hundertmal über die Wichtigkeit geärgert, mit der Gercourt die Frage seiner künftigen Frau behandelt, und über die dumme Eigenliebe, die ihn glauben macht, er werde das unvermeidliche Geschick vermeiden. Sie wissen, wie lächerlich voreingenommen er für die Klostererziehung ist, und kennen sein noch lächerlicheres Vorurteil für die Zurückhaltung der Blondinen. Ich würde tatsächlich wetten, daß er trotz der sechzigtausend Francs Rente der kleinen Volanges, sie nie geheiratet hätte, wenn sie brünett oder nicht im Kloster gewesen wäre. Drum wollen wir ihm zeigen, daß er nichts als ein Dummkopf ist. Eines Tages ist er's ganz sicher, das macht mir keine Sorge: das Komische wäre, wenn er damit gleich anfinge. Wie wir uns den nächsten Tag freuen werden, wenn wir ihn prahlen hören! - denn prahlen wird er; und wenn Sie das kleine Mädchen dann erst einmal ausgebildet haben, muß es sich schon höchst unglücklich treffen, wenn Gercourt nicht, wie nur irgendeiner, in Paris zum Stadtgespräch wird.

Im übrigen verdient die Heldin dieses Romanes Ihre ganze Aufmerksamkeit: sie ist wirklich hübsch. Sie ist erst fünfzehn, die richtige Rosenknospe. Dumm allerdings, wie's nicht so leicht vorkommt, und nicht im geringsten geziert, wovor ihr Männer ja keine Angst habt. Dazu einen gewissen schmachtenden Blick, der in der Tat viel verspricht. Setzen Sie hinzu, daß ich sie Ihnen empfehle; und Sie haben mir also bloß noch zu danken und zu gehorchen.

Diesen Brief bekommen Sie morgen früh. Ich verlange, daß Sie morgen um 7 Uhr abends bei mir sind. Ich werde bis 8 Uhr niemand vorlassen, nicht einmal den regierenden Ritter: er hat

nicht Kopf genug für eine so große Sache. Sie sehen, die Liebe macht mich nicht blind. Um acht beurlaube ich Sie, und Sie kommen um zehn wieder und soupieren mit dem schönen Ding; denn Mutter und Tochter werden bei mir soupieren. Adieu, es ist zwölf vorüber: bald gebe ich mich nicht mehr mit Ihnen ab. Paris, am 4. August 17**.

DER VICOMTE VON VALMONT AN DIE
MARQUISE VON MERTEUIL IN PARIS

Ihre Befehle sind allerliebst; Ihre Art, sie zu geben, ist noch reizvoller: Sie könnten einem Liebe zum unbedingten Gehorsam beibringen. Es ist nicht das erstemal, wie Sie wissen, daß ich bereue, nicht mehr Ihr Sklave zu sein; und wenn ich auch, wie Sie sagen, ein,,Ungeheuer" bin, denke ich doch nie ohne Vergnügen der Zeit, da Sie mich mit süßeren Namen beehrten. Oft wünsche ich sogar, sie von neuem zu verdienen, und zum Schluß noch, zusammen mit Ihnen der Welt ein Beispiel der Beständigkeit zu geben. Doch höhere Pflichten rufen uns. Erobern ist unser Geschick, und es heißt ihm folgen. Am Ende unserer Laufbahn begegnen wir uns vielleicht noch einmal; denn ohne Sie kränken zu wollen, wunderschöne Marquise, sei es gesagt: Sie halten zumindest gleichen Schritt mit mir; und seitdem wir uns zum Heil der Welt getrennt haben und jeder auf eigene Hand Treue und Liebe predigt, haben Sie, scheint es mir, auf dieser Liebesmission mehr Proselyten als ich gemacht. Ich kenne Ihren Eifer, Ihre hingebende Inbrunst; und wenn jener Gott uns nach unseren Werken richtete, wären Sie eines Tages die Patronin irgendeiner großen Stadt, indes Ihr Freund höchstens ein Dorfheiliger wäre. Diese Sprache wundert Sie, nicht wahr? Aber seit acht Tagen höre und rede ich keine andere; und um mich darin zu vervollkommnen, sehe ich mich genötigt, Ihnen ungehorsam

zu sein.

Werden Sie nicht böse und hören Sie zu. Mitwisserin aller meiner Herzensgeheimnisse, ich will Ihnen den größten Plan anvertrauen, den ich je gefaßt habe. Was schlagen Sie mir vor? Ein junges Mädchen zu verführen, das nichts gesehen hat, nichts kennt; das mir sozusagen schutzlos ausgeliefert wäre; das eine erste Huldigung unfehlbar berauschen und die Neugier vielleicht rascher vorwärts bringen wird als Liebe. Zwanzig andern kann das so gut gelingen wie mir. Anders steht es mit dem Unternehmen, das mich beschäftigt: sein Gelingen sichert mir ebensoviel Ehre wie Vergnügen. Amor, der meinen Kranz winden will, schwankt selber zwischen Myrte und Lorbeer, oder vielmehr er wird sie beide zusammenwinden zu Ehren meines Triumphs. Sie selbst, schöne Freundin, werden von heiligem Schauder erfaßt werden und begeistert sprechen:,,Das ist der Mann nach meinem Herzen."

Sie kennen die Präsidentin Tourvel, ihre Frömmigkeit, ihre Gattenliebe, ihre strengen Grundsätze. Darauf also mache ich einen Angriff; das ist der meiner würdige Feind; das ist das Ziel, das ich mir setze...

Sie müssen also wissen, daß der Präsident in Burgund ist, wegen eines großen Prozesses. (Ich hoffe, einen wichtigeren soll er durch mich verlieren.) Seine untröstliche Hälfte soll hier die ganze Zeit dieser betrübenden Witwenschaft zubringen. Täglich eine Messe, ein paar Besuche bei den Armen des Kirchspiels, Morgen- und Abendgebete, einsame Spaziergänge, fromme Unterhaltungen mit meiner alten Tante, und manchmal ein trauriger Whist, sollen die einzigen Zerstreuungen sein. Ich besorge ihr wirksamere. Mein guter Engel hat mich hergeführt, zu ihrem und meinem Glück. Ich Unsinniger! mir taten die vierundzwanzig Stunden leid, die ich Höflichkeitsrücksichten opferte. Wie würde man mich jetzt strafen, wenn man mich zwänge, nach Paris zurückzukehren! Glücklicherweise gehören zum Whistspiel vier; und da es hier bloß den Ortspfarrer gibt, ist meine ewige Tante eifrig in mich

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