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gedrungen, ihr ein paar Tage zu opfern. Sie erraten wohl, daß ich eingewilligt habe. Sie können sich nicht vorstellen, wie sie mich seit dem Augenblick verhätschelt, und besonders wie sie darüber erbaut ist, mich regelmäßig bei ihren Gebeten und ihrer Messe zu sehen. Von der Gottheit ahnt sie nichts, die ich dort anbete.

So gebe ich mich also schon vier Tage lang einer starken Leidenschaft hin. Sie wissen, wie lebhaft ich begehren kann, wie ich über Hindernisse wegstürme; aber was Sie nicht wissen, das ist, wie sehr die Einsamkeit die Glut der Begierde erhöht. Ich habe nur noch einen Gedanken; tags denke ich dran, nachts träume ich davon. Ich habe es sehr nötig, diese Frau zu bekommen, um mich vor der Lächerlichkeit zu retten, daß ich in sie verliebt bin: denn wohin führt nicht eine durchkreuzte Begierde? O köstlicher Genuß! Ich erflehe dich um meines Glückes und vor allem um meiner Ruhe willen. Wie sind wir glücklich, daß die Frauen sich so schlecht verteidigen! Wir wären vor ihnen nur furchtsame Sklaven. Ich habe in diesem Augenblick ein Gefühl des Dankes für die gefälligen Frauen, das mich ganz von selbst bis zu Ihren Füßen geleitet. Ich knie vor Ihnen nieder, um Verzeihung zu erlangen, und ende diesen allzu langen Brief. Adieu, wunderschöne Freundin und nicht böse sein!

Schloß . . ., am 5. August 17**.

DIE MARQUISE VON MERTEUIL AN DEN
VICOMTE VON VALMONT

Wissen Sie, Vicomte, daß Ihr Brief von einer seltenen Frechheit ist, und daß es bloß an mir läge, böse darüber zu werden? Aber er hat mir klar bewiesen, daß Sie den Kopf verloren hatten, und das allein hat Sie vor meinem Zorn bewahrt. Als edle und mitfühlende Freundin vergesse ich die mir zugefügte Kränkung, um mich mit nichts zu beschäftigen, als mit Ihrer gefährlichen

Lage; und so langweilig das Vernunftpredigen ist, will ich mich doch dazu bequemen, weil Sie es in diesem Augenblick so nötig haben.

Sie wollen die Präsidentin Tourvel haben! Was ist denn das für eine lächerliche Schrulle! Daran erkenne ich Ihren nichtsnutzigen Kopf, der sich immer nur das wünscht, was er glaubt nicht erhalten zu können. Was ist denn an der Frau ? Regelmäßige Züge, wenn Sie wollen, aber gar kein Ausdruck; leidlich gewachsen, aber anmutlos; immer angezogen zum Lachen, mit ihren Haufen von Busentüchern und ihrem bis ans Kinn reichenden Schnürleib! Ich sag' Ihnen als Freundin, von solchen Frauen braucht's nicht zwei, damit Sie all Ihr Ansehen verlieren. Denken Sie doch an den Tag, wo sie in Saint-Roche sammelte, und wo Sie sich so bei mir bedankten dafür, daß ich Ihnen das Schauspiel verschafft hatte. Ich sehe sie noch vor mir, wie sie jener langen Latte mit langen Haaren die Hand gab, bei jedem Schritt nahe am Hinfallen war, mit ihrem vier Ellen breiten Reifrock immer an irgend jemandes Kopf stieß und bei jeder Verbeugung rot ward. Wer hätte Ihnen da gesagt, Sie würden die Frau begehren? Also bitte, Vicomte, werden Sie selber rot und kommen Sie wieder zu sich. Ich verspreche Ihnen, daß ich schweigen

werde.

Und dann, sehen Sie mal, welche Mißhelligkeiten Sie erwarten! Mit welchem Nebenbuhler müssen Sie kämpfen? Mit einem Ehemann! Fühlen Sie sich nicht bei dem bloßen Wort gedemütigt? Was für eine Schande, wenn Sie scheitern! und selbst im Erfolg wie wenig Ruhm! Ich behaupte noch mehr: hoffen Sie auf gar kein Vergnügen. Gibt es das bei Prüden? Bei den ehrlichen, meine ich. Zurückhaltend selbst noch im höchsten Vergnügen, bieten sie Ihnen stets nur halbe Genüsse. Die volle Hingabe ihrer selbst, der Wollustrausch, worin das Vergnügen sich reinigt durch seinen Überschwang - diese Schätze der Liebe sind ihnen nicht bekannt. Ich sage Ihnen im voraus: im günstigsten Fall

wird ihre Präsidentin alles für Sie getan zu haben glauben, wenn sie den Herrn Vicomte wie ihren Mann behandelt; und im ehelichen Zusammensein, sei es noch so zärtlich, bleiben es immer zwei. Hier liegt es noch weit schlimmer: Ihre Prüde ist fromm, und zwar mit einer Gänschenfrömmigkeit, die zu ewiger Kindheit verdammt. Vielleicht übersteigen Sie dies Hindernis; aber schmeicheln Sie sich nicht, es zu zerstören: mögen Sie über die Liebe zu Gott Sieger bleiben, die Furcht vor dem Teufel werden Sie doch nicht besiegen; und wenn Sie Ihre Geliebte in den Armen halten und ihr Herzklopfen fühlen, wird das aus Furcht und nicht aus Liebe sein. Vielleicht hätten Sie, wenn Sie die Frau früher kennengelernt hätten, etwas aus ihr machen können; aber jetzt mit 22 Jahren und zwei Ehejahren! Glauben Sie mir, Vicomte, wenn eine Frau dermaßen verknöchert ist, muß man sie ihrem Schicksal überlassen.

Sie sollen aber doch wissen, daß die kleine Volanges schon einem den Kopf verdreht hat. Der junge Danceny ist in sie vernarrt. Er hat mit ihr gesungen; und tatsächlich singt sie besser, als man es einem Schulmädchen zutraut. Sie werden wohl viele Duos miteinander üben, und ich glaube, sie würde gerne ein gewisses anderes Duett mit ihm anstimmen; aber dieser Danceny ist ein Kind, das seine Zeit mit Liebesgetändel verlieren und nichts zustande bringen wird. Das kleine Wesen ihrerseits ist ziemlich scheu; und was auch geschehen mag, es wird immer viel weniger erfreulich sein, als Sie es hätten machen können. Drum bin ich auch verstimmt und werde dem Ritter, wenn er kommt, sicher eine Szene machen. Ich rate ihm, sanft zu sein; denn in diesem Augenblick würde es mich gar nichts kosten, mit ihm zu brechen. Ich bin sicher, wenn ich so gescheit wäre, ihn jetzt zu verlassen, würde er darüber in Verzweiflung sein; und nichts belustigt mich so wie eine verzweifelte Liebe. Er würde mich treulos nennen; und das Wort treulos hat mir stets Vergnügen gemacht; nach dem Wort grausam ist es das süßeste für ein Frauen

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