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Das Gerücht geht, daß der junge Herr seit seiner Zurückkunft im nahe gelegenen Städtchen den Ton angibt und auf würdige Männer stolz herabsieht, weil sie die große Welt nicht kennen. Es ist freilich angenehm genug, durch angeborene Talente und mit Hilfe einiger Holländerpachten sich in der Fremde so schleunig zu bilden, wie Herr von Hunter; aber Bescheidenheit kleidet auch bei Verdiensten und mäßigt den Haß, der immer blendende Gaben verfolgt.

Auf einer kleinen Bühne kann man füglich ein à plomb im neuesten Geschmack entbehren; und wer bedarf des Scharfsinns immer, womit der junge Herr sich in dem Rocke seines Dieners aus dem verwickelten Handel zog? Allgemeiner Menschenverstand führt uns gemächlicher durchs Leben.

ARMAND-LOUIS DE GONTAUT DUC DE LAUZUN

PARISER GESPRÄCHE ODER DIE LIEBE IN DER GUTEN GESELLSCHAFT

PERSONEN

Die Szene ist bei der Vicomtesse de Sénanges

Vicomte von Sénanges

Graf von Marsal, früherer Geliebter der Vicomtesse
Marquis von Mirville, der neue Geliebte der Vicomtesse
Herzog von Longueville

Marquis von Crécy, Großvater der Vicomtesse

Kommandant von Reynelle, Marineoffizier, Onkel der Vicomtesse

Herr Weyrauch, Major des Regiments des Marquis von Mirville Herr Campana, Maler

Abbé des Goutières

Dubois, Kammerdiener der Vicomtesse, Emilies Bruder

La Fleur, Lakai der Vicomtesse

Dubourg, Haushofmeister des Marquis von Crécy

Vicomtesse von Sénanges

Madame de Rufée, Betschwester, Freundin der Mutter der Ma

dame von Sénanges

Prinzessin von Lutz

Frau von Siry, intime Freundin der Madame de Sénanges

Frau von Kell, frühere Geliebte des Marquis

Fräulein Bertin, Modistin

Emilie, Kammerfrau der Vicomtesse

ERSTER AKT

Toilettenzimmer der Vicomtesse de Sénanges neben dem Schlafzimmer.

Erste Szene

Emilie, Dubois.

Emilie. Wirklich, lieber Bruder, ich möchte, daß du Madame ebenso schön frisierst, wie du mich heute morgen frisiert hast; keine dreiviertel Stunde hat es gedauert und ich sehe prächtig aus.

Dubois. So zum ersten Male habe ich Angst, denn ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird; aber ich versichere dich, ich werde mein Bestes versuchen. Es liegt mir sehr viel daran, daß Madame la Vicomtesse mit mir zufrieden ist und daß ich ihr zusage. Ich sehe die Vorteile, in demselben Hause zu dienen wie du, ein, und will sie mir durch mein Betragen erringen.

Emilie. Das wird nicht schwer sein, denn Madame ist gut und freigebig; sie ist hie und da launisch, aber welche schöne Frau hat keine Launen? Sie ist zum Beispiel oft pressiert; und eine schöne Frau, die es eilig hat, ist für ihre Umgebung immer unausstehlich. Dubois. Man beeilt sich eben, und dann kommt das ja auch nicht alle Tage vor.

Emilie. Meiner Seel, es braucht nicht viel. Weißt du, daß Madame die gesuchteste Frau von Paris ist, und abgesehen von all den Beschäftigungen, die das mit sich bringt, hat sie ein prachtvolles Talent zum tändeln.

Dubois. Was nennst du tändeln?

Emilie. Also, das heißt, zwei Stunden sitzen und nichts tun, und dann in einer halben Stunde das tun wollen, wozu man zwei Stunden nötig hätte.

Dubois. Das verstehe ich nicht; es scheint mir nicht viel Sinn zu haben.

Emilie. Verstand hat es keinen, aber leicht ist es auch nicht. In weniger als sechs Monaten wirst du das vollkommen begriffen haben.

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