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Ueber die 156 seldschukischen Distichen aus Sultan Weled's Rebâbnâme.

Von

Dr. W. F. A, Behrnauer.

Zu den Quellen der historisch - philologischen Einleitung zu meiner Ausgabe des Tawarichi Ali Seldschuk (s. den Prospectus davon zu Ztschr. Bd. XX) gehören auch die von Hrn. Prof. Wicker hauser in demselben Bande S. 574 ff. in Transscription und deutscher metrischer Uebersetzung mitgetheilten 156 seldschukischen Distichen aus dem Rebâbnâme (nicht ,,Dubâbnâme") des Sulțân Weled, welche aus dem hundertsten Abschnitte des ersten Theiles der kostbaren Handschrift) in der Privatbibliothek Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich genommen sind. Bei der Durchsicht dieser Transscription und der sie begleitenden metrischen Uebersetzung, wie früher beim Durchlesen der Anzeige des ganzen Werkes von Freiherrn von Hammer-Purgstall im Anzeigeblatt der Jahrbücher der Literatur Bd. 46 S. 1-26 und Bd. 48 S. 103-120, stiess ich bei mehrern Stellen an. Zur Hebung der dadurch angeregten Zweifel habe ich durch die Gefälligkeit des Directors der Kaiserlichen Privatbibliothek, des Herrn Regierungsrathes von Khloy ber (nicht Kroiber, wie Anm. 1 S. 575 in Bd. XX ihn nennt) ein getreues Abbild des Textes nach der photographischen Aufnahme des Herrn E. F. Orb in Wien erlangt. Zugleich habe ich die Münchner Handschrift des Rebâbnâme (Pers. 60) zur Vergleichung erhalten, wofür ich der hochlöbl. Direction der Königl. Bayerischen Hof- und Staatsbibliothek meinen ergebensten Dank ausspreche. Sie enthält nur 59 Abschnitte des ersten Buches. Ich gebe hier zuerst in freier Uebersetzung den Abschnitt über Sultân Weled aus Gâmî's Nafaḥât-ul-uns (Hauche der Vertraulichkeit, nämlich zwischen Gott und dem Şufi) nach der Dresdener Handschrift E. 408 Bl. 261 r. Z. 5 bis Bl. 262 r. letzte Zeile, wobei ich aber auch andere Quellen benutze.

1) Ausgezeichnet durch ihre schöne Schrift und ihre grössere Vollständigkeit gegenüber den Handschriften von München und Gotha, welche nur einen Theil des ersten Buches enthalten.

Sultan Weled Ahmed, mit dem Ehrennamen Behâeddîn (Gâmî a. a. O. Bl. 261 r. Z. 12), daher richtig bei v. Rosenzweig, Auswahl aus den Diwanen Mewlânâ Gelâleddîn Rûmî's S. 232, Behâ e ddîn Ahmed, aber weder Alaeddîn, wie ihn Wickerhauser Ztschr. Bd. XX S. 574, noch Alaeddewlet, wie ihn v. Hammer in dem Anzeigeblatt des 46. Bandes der Wiener Jahrbücher der Literatur S. 1 nennt, war der im J. 623 der Flucht = 1226 Chr. (Gâmî a. a. O. Bl. 254. Z. 12) geborene Enkel Seih Behâeddîn Weled's mit dem Ehrenbeinamen Sulțân-ul-ulemâ (Gâmî a. a. O. Bl. 254 r. Z. 11 u. 16), welcher noch während der Kindheit seines Enkels starb, und der Sohn des grossen Mystikers Mewlânâ Gelâleddin Rûmî (Emîr Sulțân oder Honkiâr) 1). Als Sulțân Weled herangewachsen war, konnte Niemand unterscheiden, welcher von beiden der Vater und der Sohn war; jeder, welcher diesen mit jenem zusammen sah, hielt ihn für seinen Bruder. Er weihte seine Dienste den grossen Sufis Burhâneddin Muhakkik (Gâmi a. a. O. Bl. 254v. -255r.) und Śemseddin Tebrizi (ebendaselbst Bl. 257-258v.) und war auch ein sehr strebsamer Schüler des grossen Seih Salâheddîn Feridûn aus Konia, welcher unter dem Beinamen des Goldschmiedts bekannt war, und mit dessen Tochter ihn sein Vater nach dem Eintritte (Bl. 260 r. Z. 14) in das manubare Alter verheirathete. Mit dieser Frau erzeugte er einen Sohn Namens Ćelebi'Ârif (ebendas. Z. 15). Sein Schwiegervater ist in Konia neben ihm selbst begraben. Elf Jahre lang war der berühmte Seib Husâmeddin Hasan Ben Muhammed Ben Alhasan Weled (Bl. 260.; nach der Handschrift der Kais. Pariser Bibliothek Ancien fonds persan No. 83 Bl. 163. Husein) Ahi Türk der Nachfolger und Stellvertreter Gelâleddîn Rûmî's; später aber trug Sulțân Weled selbst viele Jahre in reiner und künstlerisch durchgebildeter Sprache die Lehren seines Vaters vor. Er ist der Verfasser eines Mesnewî (Mesnewî-i-Weledî oder Welednâme), über dessen Abfassung wir nach der Calcuttaer Handschrift der dortigen asiatischen Gesellschaft (Sprenger S. 587 No. 560 pers.) folgendes wissen: Er hat dieses Mesnewî um 690 d. H. = 1291 Chr. vollendet 2), nachdem er einen Dîwûn herausgegeben hatte. Seine Hauptaufgabe war, das Beispiel seines Vaters nachzuahmen und dessen grosses Mesnewî zu beleuchten und zu commentiren. Er hat das seinige in demselben Versmasse geschrieben; nach seinen eigenen Worten war der Zweck der Abfassung dieses Mesnewî (welches leider in der angeführten Handschrift nicht vollständig erhalten ist) die Mittheilung der mystischen Erkenntnisse und der Geheimnisse der absoluten Einheit (), mit be

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1) Dieser war geboren am 6. Rebi' I. 604 d. H. 30. Sept. 1207 (Ġàmi a. a. O. Bl. 255r. Z. 12), stand also bei der Geburt seines Sohnes erst im 19ten Lebensjahre.

2) Dr. Pertsch verwechselt in seinem persischen Handschriftencataloge S. 99 das Rebâbnâme mit dem Welednáme.

sonderer Berücksichtigung der Lehren der frühern Mystiker, seines Vaters und der Anhänger desselben, der grossen Šeihe Burhâneddîn Muhakkik et-Tirmidî 1), Salâheddîn Feridun aus Konia 2) und Ćelebi Husâmeddin Hasan Weled Ahi Türk 3), so wie auch seiner eigenen Anschauungen. Aus der Vergleichung des Anfanges dieses Mesnewî geht hervor, dass es vom Rebâbnâme verschieden ist; denn dasselbe

ابتدا میکنم بنام خدا موجد عالم فنا و بقا : beginnt mit dem Verse

Ich beginne im Namen Gottes, des Hervorbringers der vergänglichen und der unvergänglichen Welt, während das Rebâbnâme (Münchner Handschrift pers. 60. Bl. 4r. Z. 7) nach

بشنوید از ناله بانك رباب نکتهای der prosaischen Einleitung beginnt Hort aus dem Klageton der Geige die,عشق در هر گونه باب

feinen Gedanken der göttlichen Liebe in allerhand Tonart. Dieses Rebâbnâme ist dem mongolischen Kaiser Hodâbende Ölgeitü oder Abussa'îd gewidmet, welcher vom J. 704 bis 716 d. H. = 1304-1316 regierte. Es ist im Versmasse Hafîf gedichtet, in welchem Abû Muhammed Ben Adam Hakim Senâjî im J. 524 d. H. (1129/30) 4) oder 525 (1130/31) 5) seine Hadika, von ihm auch Ilâhînâme (Buch der Göttlichkeit) betitelt, geschrieben hatte, Die Gothaer Handschrift des Rebâbnâme beginnt nach Dr. Pertsch S. 99 mit dem 5. Abschnitte, welcher den Ausspruch des

die Menschen sind wie الناس كمعادن الذهب والفضة الخ : Propheten

-von der Manchner Hand نچنان بستش درین نمکین سرای Halbverse

die Gold- und Silberminen" behandelt, weicht jedoch mit dem ersten

schrift Bl. 12. auf das Entschiedenste ab. Sulțân Weled hat in dieses Mesnewi, das mit einer Anrufung an die Geige (nicht Cither, wie v. Hammer übersetzt) beginnt, viele mystische Erkenntnisse ( Gâmî Bl. 261. Z. 10) und Geheimnisse aufgenommen. Die Abfassung desselben fällt in den Anfang des 8. Jahrhunderts d. H. des 14. Jahrhunderts n. Chr.; er vollendete dieselbe in 4 Monaten des J. 1301 (April bis August; 700 d. H vom 1. Śa bân bis zum letzten Dulligge). Die schöne Wiener Handschrift hat nicht 150 unpaginirte Blätter 300 Seiten, sondern über 700 Sei

سلطان الواصلين (1) سلطان المشعوفين (2) زبدة السالكين (3)

4) Ḥági Halfa III, 4452 unter, welche nach der Dresdener Hdschr. E. 335 mit dem Verse beginnt: 959 999

.aber nicht im J. 634 d. H برون ارای وی خرد بخش دی خرد بخشای

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(1139,40) begonnen und im Jahre 535 (1140/41) vollendet sein kann, weil der Verfasser schon im Jahre 525 gestorben ist. (S. hiergegen das Ende des Gedichtes selbst und Flügel's Katalog d. arab., pers. u. türk. Hdschrr, d. Wiener Hofbibliothek, Bd. I, S. 498 -500. Fleischer.)

5) Vergl. Gâmi a. a. O. Bl. 333v, und Bl. 335v. Z. 1,

ten zu 33 Zeilen, und ist am letzten Gumâdâ II. 767 = 13. März 1366 (nicht 15. März, wie v. Hammer a. a. O. Bd. 46, S. 2 sagt) von Hasan Ben 'Osman Mewlewî in Abschrift vollendet worden. Se. Herrlichkeit Mewlânâ 1) sprach seinen Sohn oft so an: „Du bist der dem äussern und innern Wesen nach mir ähnlichste der Menschen“ 2), schätzte und liebte ihn sehr, und hatte an die Mauer seiner eigenen Medrese geschrieben: „Unser Behâeddin ist ein glücklicher Mann; er hat gut gelebt und wird selig sterben 3). Gott weiss es am besten." Derselbe pflegte in ehrender Weise zu ihm zu sagen: „Behâeddîn, mein Kommen in diese Welt hatte dein Auftreten zum Zweck; alles dies Gesprochene und Geschriebene sind nur meine Worte, du aber bist meine That!" Eines Tages redete ihn Se. Herrlichkeit so an: Gehe nach Damascus, um Mewlânâ Śemseddîn aufzusuchen; nimm mit dir so und soviel Silber und Gold, stelle es jenem Sulțân (Geistesherrscher) zur Verfügung 4) und fordere ihn auf, nach Kleinasien zu kommen. Nach deiner Ankunft in Damascus gehe sogleich nach der Vorstadt Şâlihîja in den und den Hân; dort wirst du ihn treffen, wie er mit einem schönen jungen Franken Schach spielt. Wenn jener Sulțân gewinnt 5), zieht er Gold ein 6); wenn aber der junge Franke gewinnt, bekommt er (Śemseddîn) einen Backenstreich 7). Aeussere darüber ja kein Missfallen; denn der junge Franke gehört uns schon an, wenn er sich auch selbst dessen noch nicht bewusst ist; jener will ihm aber das Gefühl davon beibringen ). Als Sultan Weled nach Damascus kam, traf er richtig Seih Mewlânâ Semseddîn an dem ihm bezeichneten Orte mit jenem jungen Manne Schach spielend und bezeigte ihm mit allen seinen Reisegefährten die tiefste Ehrfurcht. Als der junge Franke dies sah, erkannte er des Mewlânâ Grösse, schämte sich seiner Ungezogenheiten, entblösste das Haupt und bekannte sich zum Islâm. Er wollte ihm sogar Alles, was er besass, hingeben; Mewlânâ Śemseddîn aber liess das nicht zu, sondern befahl ihm nach Europa zurückzukehren, seine angesehensten Landsleute der Ehre des islamischen Glaubensbekenntnisses theilhaftig zu machen und den Mittelpunkt dieser neuen Gemeinde zu bilden. Als nun Sulțân Weled das Gold und Silber, welches er

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1) liðs css Sua Signoria Mevlana (d. h. Ġelâleddin Rumi).

. انت اشبه الناس في خلقا وخُلها (2)

3) Vergleiche unten den Vers, welchen er selbst in seiner Todesnacht recitirt haben soll.

schiitte es in seinen Schuh aus در کفش آن سلطان ریز (4) میبرد (5) زر می ستاند (6) سیلی میخورد (7)

میخواهد که ویرا بوی شناسا کرداند (8)

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mitgebracht hatte, dem Mewlânâ Semseddîn zur Verfügung stellte, ihn selbst aufforderte mit nach Kleinasien zu kommen, auch die Einladung seines Vaters und der übrigen Şûfî's (l) von Rûm ausrichtete, folgte Mewlânâ Śemseddîn dem allgemeinen Wunsche, holte sein Pferd und bestieg es zur Reise nach Kleinasien, Sulțân Weled aber schritt neben seinem Steigbügel zu Fuss einher. Da sprach Mewlânâ Śemseddîn: „, Behâeddîn, reite auch du!" Der aber senkte ehrfurchtsvoll sein Haupt und erwiederte: „Der König und der Diener beide zu Pferde? Das darf nicht geschehen!" Und so ging er die ganze Strecke von Damascus bis nach Konia zu Fuss. Als Mewlânâ Semseddîn im Jahre 642 d. H. 1244 Chr. in Konia angekommen 1) und in dem Sekerrîzân genannten Hân abgestiegen war, berichtete er Sulțân Weled's Vater Mewlânâ Gelâleddîn Rûmî, welche Dienste und Höflichkeiten ihm sein Sohn erwiesen, was er (Semseddin) ihm gesagt und was jener darauf geantwortet und wie er sich immer freundlich, gefällig und lernbegierig gezeigt habe. „Ich habe", sprach er zu ihm,,, von Gott zweierlei geschenkt bekommen: den Kopf () und die Geheimlehre (TM); den Kopf (d. h. mein Leben) bin ich herzlich gern bereit für Mewlânâ (Gelâleddîn) hinzugeben; die Geheimlehre aber bestimme ich zu freier Mittheilung an Behâeddîn. Würde er freilich auch so alt wie Noah und verwendete sein ganzes Leben auf die Erlangung der sufischen Vollkommenheit, so würde ihm dies doch nicht völlig gelingen. Auf dieser Reise hat er von mir nur eine Ahnung des Höchsten erhalten; aber es ist zu hoffen, dass er durch Euch den vollen Gnadengewinn davontragen wird 2)." In einer Nacht träumte Sulțân Weled, Seih Śemseddîn Tebrîzî deute ihm an, dass er sich an dem und dem Orte schlafen legen werde. In der Mitte der nämlichen Nacht starb derselbe, umgeben von seinen vertrautesten Freunden, die er zu sich beschieden hatte, und wurde in der Medrese des Mewlânâ Pehlewî, des Erbauers der Medrese des Emîr Bedreddîn, begraben 3). Als dann am 5. Gumâdâ II. 672 (17. Dec. 1273) auch Mewlânâ Gelâleddîn Rûmî heimgegangen war, kam sieben Tage nachher Celebi Husâm mit allen seinen Jüngern zu Sulțân Weled und redete ihn so an: „Ich wünsche dass du von nun an die Stelle deines Vaters einnehmest, den Sûfîs und den Murîden den Heilsweg zeigest und unser rechter Sei werdest. Ich werde neben deinem Steigbügel gehend die Schabracke auf meine Schulter nehmen und dir dienen." Auch recitirte er folgenden Vers: „Wer

تیر نصيبها يابد (2)

1) Gâmî a. a. O. Bl. 258 v. Z. 1 ff. 3) Semseddin Tebrizi wurde im J. 645 (1247) verdammt, lebendig geschunden zu werden. Nach Ġâmî a. a. O. 259 v. entging er dieser Strafe nicht, welche sieben Meuchelmörder ausführen sollten; nach v. Rosenzweig, Auswahl aus den Diwanen Gelâleddins S. 231, hätte er sich aber gerettet und Mewlânâ Gelaleddin überlebt.

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